11.09.2024: Blogeintrag #51
Salcombe
Beim Einlaufen in Salcombe fahren wir einen schlanken Fjord hinauf. Ein riesiges Mooringfeld eröffnet sich vor uns. Wir lassen den Ort an Backbord liegen und biegen hinter einer Landspitze in einen Seitenarm mit einem weiteren riesigen Mooringfeld. Inmitten desselben machen wir an einem Visitor Pontoon fest. Kurz nach dem Anlegen steigt Jürgen in ein Wassertaxi und verlässt uns. Seine Frau wartet bereits im Ort auf ihn. Ab jetzt waren wir nur noch zu zweit. Clara und ich folgen etwas später in den Ort, um in einer urigen uralten Gastwirtschaft den Abend ausklingen zu lassen. Auf der Überfahrt stellen wir fest, dass die Wassertaxen überwiegend von Jugendlichen gefahren werden. Im Gespräch erfahren wir, dass es hier übliche Ferienjobs sind und der Ort zwischen einer Einwohnerzahl von 20.000 im Sommer und 4000 im Winter schwankt. Saisonkräfte scheinen hier, ähnlich wie bei uns an der Ostseeküste, ein Thema zu sein. Auf dem nächtlichen Rückweg staunen wir, wie sicher der Bootsführer im Dunkeln ohne Scheinwerfer das Boot durch das riesige und durchaus enge Mooringfeld steuert. Mittlerweile sind wir sicher, dass es in diesem Teil Englands mehr Boote als PKW gibt.
Salcombe – Dartmouth
Den nächsten Tag schlafen wir uns aus und warten den Regen ab. Als dieser, entgegen der Vorhersage bis 13:00, nicht endet laufen wir aus. Kaum hat uns der Fjord wieder ausgespuckt, hört der Regen auf. Der Nebel umhüllt uns jedoch nach wie vor. Entlang der Küste bessert sich die Sicht langsam. Wir genießen verschiedene Aussichten auf die Steilküste. An den Stellen, wo sie sich mit saftig grünen Wiesen bis zum Strand herunter absenkt, ist sie immer wieder mit kleinen weißen Dörfern garniert. Hinter dem Kap Start Point öffnet sich nach Norden der lange Strand „Blackpool Sands“ an dessen Ende der Fjord des River Dart eröffnet.
Dartmouth
Wir tauchen in eine mystische Landschaft ein. Im Nebel erkennen wir die steilen Wände des Fjordes. Nur knapp über der Wasserlinie zeigen sich Spuren vergangener Jahrhunderte. Fragmente alter Anleger, Burgruinen, etwas höher ein vollständig erhaltenes Castell. In den höheren Lagen beginnt der Nebel die Sicht einzutrüben. An den bewaldeten Hängen sind vereinzelt Häuser im viktorianischen Stil zu erkennen. Sobald wir sie passiert haben, versinken sie wieder im Nebel. Es lässt sich nur erahnen wie hoch die Berge neben uns sind. Wir machen am Visitors Pontoon in der Marina Darthaven gegenüber der Altstadt Dartmouth fest. Zu unserer Freude handelt es sich um eine top moderne Marina mit bester Ausstattung. In der Rezeption werden auf Bildschirmen die aktuellen Seewetter und Gezeitendaten angezeigt. Statt normaler Duschkabinen gibt es komplette Bäder mit Toiletten als Einzelkabinen (welche wir beide fotografisch festhalten mussten 😉), im Wartebereich lässt es sich auf der Couch nebst Leseregal bestens entspannen. Wir genießen Hotelstandard. Abends beschließen wir den nächsten Tag noch hier zu verbringen und den Sprung nach Portsmouth in einem Stück über die folgende Nacht abzusegeln. So haben wir mehr von beiden Orten.
Am nächsten Morgen hat sich der Nebel gelichtet und eine traumhafte Aussicht nimmt uns in ihren Bann. Die Entscheidung des Vorabends war genau richtig. Eingebettet in eine Landschaft wie aus einer Romanverfilmung schauen wir auf eine historische Kleinstadt. Im Hafen liegt ein langer Schwimmsteg an dem Schaufelraddampfer wie selbstverständlich im Linienbetrieb fahren. Die erste Häuserreihe der Promenade sieht aus wie gemalt. Verspielte Fachwerkhäuser wechseln sich mit teils mittelalterlich wirkenden Steinbauten ab. Die Promenade wird unterbrochen von einem alten historischen Hafenbecken und einem kleinen englischen Garten. Darüber teils historische Villen nebst pittoresk und farbenfroh aneinandergereihten Arbeiterhäusern. Wir kommen uns vor, als wären wir direkt in die sächsische Schweiz eingelaufen. Oberhalb der Stadt thront majestätisch mit ausladender Architektur das Britannia Royal Naval College. Es wirkt fast als bewache es das ganze Ensemble. Der Gedanke, dass es hier bereits im vorletzten Jahrhundert so ausgesehen haben muss, wird fast real als direkt hinter unserem Anleger ein schnaufender Dampfzug in die kleine hölzerne Bahnhofshalle einfährt. Später finden wir heraus, dass Agatha Christie hier in ihrem Sommerhaus in Dartmouth einige ihrer Beiträge zur Literaturgeschichte geschrieben hat. Vielleicht sind die Gedanken zu Miss Marple oder dem Mord Orient Express ja genau hier entstanden.
Dartmouth - Portsmouth
Wir gönnen uns einen ausgiebigen Stadtbummel. Dabei besorgen wir Proviant für den großen Schlag nach Portsmouth und beschaffen das ein oder andere Souvenir. Um 15 Uhr starten wir mit ablaufendem Strom in den englischen Kanal. Wir planen etwa um 12:00 Uhr am nächsten Tag in Portsmouth zu sein. Die Gezeiten schieben uns zügig bis zur Isle of Portland. 32 Seemeilen in 4 Stunden können sich sehen lassen. Mittlerweile ist es dunkle Nacht und die Gezeitenströmung dreht sich gegen uns. Vor dem Cap St. Aldhelms stampfen wir uns gegen 01:00 Uhr nachts in der kurzen Welle, die bei Strom gegen Wind entsteht, fest. Nur noch 1,5 Knoten über Grund bei Wind aus 135° und Strom von vorn. Jede Ruderkorrektur wird mit ordentlich Drift belohnt. Keine guten Bedingungen, zumal die Steilküste Backbords langsam naht. Ich hole Clara aus der Koje, wir entschließen uns zu Halsen und vor der Küste abzulaufen. Während des Manövers steigt eine Welle von hinten ins Cockpit. Nach einiger Fahrt beruhigt sich die See. Wir halsen erneut und ich lege mich in den Salon schlafen. Mit dem Sonnenaufgang gegen 6 Uhr weckt mich Clara. Ich mache uns einen kleinen Frühstückssnack und steige mit einem Morgenkaffe in das noch nachtfeuchte Cockpit, um den Sonnenaufgang zu genießen und zu übernehmen. Ein Blick auf die Karte verrät, dass sie noch mehrere Halsen gefahren ist. In den letzten 4 Stunden haben wir lediglich 5sm nach Ost geschafft, immerhin sind wir an den beiden Kaps St Aldhelms und Anvil Point vorbei. Clara ist von der nächtlichen Arbeit sichtlich genervt.
Sie hat den Humor jedoch nicht verloren, den Zickzack Kurs auf der Karte kommentiert sie mit den Worten „so sieht das halt aus, wenn Frau am Steuer ist“. Ich übernehme wieder und Clara legt sich schlafen. Stunden später bauen sich vor uns die schönen weißen Klippen der Isle of Wright auf. Wir passieren die „Needles“, eine im Wasser stehende Felsformation westlich der Insel und biegen in den Solent Channel zwischen Insel und englischem Festland ein. Im Solent sind wir erneut mit dem Gezeitenstrom konfrontiert. Mehr als 4kn Unterschied zwischen der Logge und dem Speed over Ground. Der abflauende Wind veranlasst uns den Motor zur Hilfe zu nehmen. Backbords lassen wir unübersehbar die Industriestadt Southampton vorbei. Kurz fällt uns ein, dass wir gerade den Ort passieren, von dem sich vor 112 Jahren die unsinkbare Titanic auf den Weg zur Jungfernfahrt machte, deren Ziel sie nie erreichen sollte. Nur Minuten später liegt Portsmouth vor uns. Unübersehbar thront der Spinnaker Tower über der Stadt. Erster Stopp ist die Wassertankstelle. Gegenüber liegt der Royal Navy Stützpunkt. Ein Flugzeugträger wacht über den Hafen. Wir staunen nicht schlecht, als wir neben uns eine ganze Flotte von VO70 Rennyachten des Clipper Round des Wort Races entdecken. Nur ein Stück weiter zieht uns jedoch ein IMOCA namens L‘Occitaine in ihren Bann. Das Boot von Clarisse Cremer, der aktuell schnellsten Frau der Welt. Mit diesem Boot, mehr Fluggerät als Schiff, wird sie bei der Vendée Globe gegen die bekannten Offshore Größen der Welt antreten.
Portsmouth
Wir machen in der Haslar Marina in Gosport fest. Kurz darauf läuft hinter uns die Wiking VIII ein, das Schiff des Akademischen Segelvereins zu Lübeck. Wir sitzen am selben Abend an Bord in geselliger Runde bei einem Bier und tauschen die Eindrücke unserer Reisen aus. Danke für die Einladung Andreas! Am nächsten Tag erkunden wir Portsmouth mit seiner Seebrücke und seiner D-Day Geschichte. Wir erleben Landung und Start einer Hovercraft Fähre aus nächster Nähe, erkunden die Stadtmauer, Staunen über ein mehrstöckiges Parkhaus für Boote und lassen den Abend in der Sky Bar des Spinnaker Tower ausklingen. Danke für den Tipp Jürgen! Hier endet diese Etappe. Tags darauf trete ich meine Heimreise an und Clara fährt Richtung London zum ABBA Konzert.
Dietmar Bauer
Foto(s): Didi, Clara